Woodstock für Chili-Fans
Fast jeder US-Bundesstaat hat sein typisches Obst oder Gemüse. Was für Idaho die Kartoffeln oder für Florida die Orangen, das sind für New Mexico im Südwesten der USA die Chilis. Und dort gibt’s Hatch, die selbst ernannte Chili-Welthauptstadt, „Chile Capital of the World“. Normalerweise hat die etwa 30 Minuten Fahrzeit nordwestlich von Las Cruces sowie 3 Autostunden südlich von Albuquerque gelegene Kleinstadt ca. 1000 Einwohner. Am Labor-Day-Wochenende, einem der wichtigsten US-Feiertage, schwillt die Bevölkerung jedoch auf 12000 bis 15000 an – und die meisten von ihnen sind Chiliheads, Der Grund: Das alljährliche Hatch Chile Festival! (Wir erinnern uns: Die feurigen Früchtchen schreibt man hier mit „e“, nicht mit „i“).
Woodstock? Nein, dies ist Chilistock! Am Labor-Day-Wochenende dient der „Airport“ von Hatch als Festgelände für eines der spektakulärsten Chilihead-Ereignisse.
Bei der Anfahrt kann man bereits von weitem die Rauchschwaden von Dutzenden Chili-Röstmaschinen sehen – und riechen. Doch Vorsicht: Der Duft frisch gerösteter Chilis macht süchtig!
Im Jahre 2000 fand bereits das 29te Chili Festival statt, und an mehr als 40 Buden und Ständen wurden Kunsthandwerk-Artikel, Snacks und Erfrischungen angeboten – und natürlich jede Menge frische rote und grüne Chilis. Sie sind das Gold dieser vorwiegend landwirtschaftlichen Region und werden gefeiert wie bei uns im Rheinland die Trauben. Wer mindestens ein Bushel (ca. 20 kg) Chilis kauft, bekommt sie gleich vor Ort geröstet, wodurch sich die zähe Außenhaut leicht entfernen lässt und die Schoten noch aromatischer werden. Die Einheimischen frieren die abgehäuteten Schoten dann portionsgerecht verpackt ein. Auch hier ist nur einmal im Jahr von August bis September Erntesaison, und schließlich braucht man das ganze Jahr über milde und mittelscharfe Chilis, um die lokalen Spezialitäten kochen zu können. In New Mexico gewöhnt man sich schnell daran, dass die Bedienung schon zum Frühstück fragt : „red or green?“ – Gemeint ist, ob man zu seinen Eiern und Tortillas rote oder grüne Chili-Soße möchte, die meist täglich frisch zubereitet wird: rot von Chili-Pulver, grün von frischen Schoten. Tipp: Bestellt man „christmas“, bekommt man von beidem etwas. Und: Man gewöhnt sich sehr schnell ans herzhaft-pikante NewMex-Frühstück!
Eine weitere Methode, New Mexican Chilis mit heimzunehmen sind Ristras. Seit Generationen lässt man in New Mexico Schoten an der Planze rot reifen, um sie gleich nach der Ernte zu Zöpfen zu flechten, die dann rund ums Haus zum Trocknen aufgehängt werden. Im warmen trockenen Wüstenklima trocknen die Chilis schnell. Ristras sind nicht nur dekorativ, sie sichern seit jeher den Wintervorrat an Chilis für die Küche.
Dieses Jahr war auf dem Festival eine Neuzüchtung des Chile Pepper Institute der New Mexico State University zu bestaunen, mit deren Hilfe sich attraktive bunte Ristras fertigen lassen.
Was im Rheinland die Weinkönigin, ist auf dem Chile Festival die Hatch Chile Festival Queen. Mehr symbolisch wacht sie über die Aktivitäten des zweitägigen Festes, assistiert von je einer Green Chile Princess und einer Red Chile Princess. Als „2000 Millennium Chile Queen“ wurde Jennifer Munoz (rechts) auserkoren, hier im Bild mit der Red Chile Princess Amanda Esparza (die Green Chile Princess war leider nicht auffindbar.)
Und jedes Jahr werden auf dem Chili-Fest von einer Fach-Jury die besten Chili-Schoten gewählt, wobei regionale Spezialzüchtungen wie „Big Jim“, „Joe E. Parker“ und „New Mex 6-4“ um Auszeichnungen kämpfen.
Zu den zahlreichen Attraktionen gehören auch Tanz- und Musikdarbietungen, zum Beispiel der Fiedler-Wettbewerb. dass ein Großteil der geigenspielenden Männer und Frauen bereits hoch im Rentenalter ist, hindert sie nicht daran, ihre jüngere Konkurrenz an die Wand zu spielen. Erstaunlich viele Kinder und Jugendliche beherrschen das Country-Instrument ebenfalls meisterhaft und konnten sich über ein begeistertes Publikum freuen. Die große Anzahl der gut aufeinander eingespielten Hobby-Musiker lässt vermuten, dass das Gemeinschaftsleben hier noch gepflegt wird.
Auf dem Hatch Chile Festival herrscht eine Super-Stimmung – völlig ohne Alkohol. Bei der im September noch herrschenden unglaublichen Hitze ist es ohnehin besser, sich an die angebotenen regionalen Erfrischungsgetränke zu halten – Durstlöscher wie Eistee, Limetten-Limonade und Wassermelonen-Punsch waren die großen Renner. Mit all den Chili-Spezialitäten, die es hier zu probieren galt und bei Temperaturen um die 40 Grad hatten die Händler ihre Mühe, den Nachschub sicherzustellen.
Das meistgefragte Menü war diesmal Barbecue Beef (Rind kann man hier noch unbesorgt essen!) mit roter Chili-Soße, grünen Chilis und Pinto-Bohnen. Am Samstag war dieser Hit bereits um 15:00 Uhr ausverkauft. Zum Glück gab’s noch jede Menge anderer Chili-Spezialitäten, zum Beispiel Chili-Eiskrem und jede Menge scharfe Naschereien …
Zu den Attraktionen gehörte auch eine improvisierte „Kunstgalerie“ (links), wo regionale Hobbykünstler Gemälde und Skulpturen präsentierten. Es gibt eine ganze Menge Talent in dieser Gegend – liegt’s an den Chilis?
Ungewöhnlichstes Produkt dieses Jahr: Chili-Fischköder für Angler.
Jung und alt waren an diesem Wochenende lange auf den Beinen, und besonders die Kinder freuten sich über die Fahrgeschäfte, die sonst eher selten in diese Region kommen. Und wer an zwei Festival-Tagen immer noch nicht genug hatte von hot and spicy, wurde von der Fast-Food-Bude Dairy Queen ermuntert, deren „Hunger-Vernichter“ mit grünen Chilis zu probieren.
Wer den Spaß selbst einmal mitmachen möchte, kann zum Beispiel nach El Paso (Texas) fliegen. Von dort ist es nach Las Cruces (New Mexico) nur etwa 1 Stunde zu fahren, und dann ist es nur eine kurze Fahrt nach Hatch. El Paso hat als Grenzstadt noch den Vorteil, dass man sich schon wie in Mexiko fühlt. Aber falls Sie die Grenze tatsächlich überschreiten wollen, beachten Sie, dass dies mit US-Leihwagen meist nicht zulässig ist. Stattdessen nimmt man ohnehin den Bus und hat Gelegenheit, schon auf der kurzen Fahrt ins mexikanische Grenzkaff Juarez sein Spanisch aufzubessern. Wichtig: Reisepass und Visumzettel mitnehmen, sonst gibt’s bei der Wieder-Einreise in die USA Probleme (unbedingt vorher über aktuelle Bestimmungen informieren). Viele Flugverbindungen führen auch nach Albuquerque, und nach drei Stunden Autofahrt südlich übernachtet man am Festival-Wochenende am besten in Las Cruces. In und um Hatch selbst ist es eher schwierig, zur Festivalzeit eine Unterkunft zu finden.
Update Herbst 2012: Jetzt waren wir endlich mal wieder zum Hatch Chili-Fest, Bericht folgt. Es war schön zu sehen, dass die Veranstaltung ihren provinziellen Charm behalten hat und sich noch immer auf regionale Produkte beschränkt (was man vom Peperoncino-Festival in Diamante leider nicht unebdingt sagen kann; dort findet man inzwischen Stände mit Vorwerk-Staubsaugern, Energiesparbirnen u.a.). . Nur das Hatch-Fest würde den teuren Trip kaum rechtfertigen, aber das südliche New Mexico bietet für Chiliheads noch viel mehr, siehe unseren 2012er Roadtrip-Bericht!